Die Vergessenen - Gefangen

Irland 1652

In Irland tobt der Kampf der Iren gegen die Krone, welche die Insel besetzt. Aufständische werden hingerichtet oder als Sklaven nach Barbados verschleppt. So ergeht es Laoise, deren Verlobter von den Engländern ermordet wurde.
Freiwillige werden gesucht, um in Virginia das Land urbar zu machen und mit dem Versprechen auf Freiheit und Grundbesitz geködert. Darunter sind Farrell und Bidelia, die der Armut entkommen wollen.
Als sich die Schicksale der drei Iren miteinander verknüpfen, wird ihnen klar, dass sie alle gefangen sind und der Kampf um ihre Freiheit beginnt.

Leseprobe

 

Irische See, 30 Seemeilen vor Cork, Oktober 1652
 
Die Galeone »HMS Augusta« rollte in den immer noch mehr als vier Meter hohen Wellen. Der Sturm, der drei Tage über der Irischen See getobt hatte, ließ langsam nach. Der Wind blies zwar immer noch mit bis zu dreißig Knoten in Böen, doch das Schlimmste war überstanden. 
»IN DIE WANTEN, IHR HALSABSCHNEIDER!«
Die Stimme des Bootsmanns ließ den letzten Seemann seine Hängematte verlassen, sie wussten, er duldete keine Faulheit. Wenn er ein Kommando gab, hatte man es sofort und ohne Widerworte zu befolgen. Das Stampfen der Füße auf dem Deck wich dem scharrenden Geräusch, das man hörte, wenn die Matrosen die Wanten zu den Rahen hinauf enterten. 
Wenig später knatterten die Segel im Wind, die Galeone legte sich nach Backbord und nahm Fahrt auf. Der Bug klatschte laut in die Wellentäler, so dass die Gischt über das gesamte Vordeck spritzte.
Kapitän John Amos Blugh grinste. Er liebte es, wenn sein Schiff zum Leben erwachte, es vorwärts flog. Seine Augen waren zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen, sein ungepflegter grauer Bart vom Salz verkrustet. Er war recht klein und schlank, sodass man ihn leicht unterschätzte, seine Körperkraft war ihm nicht anzusehen. Schon so mancher Matrose hatte dies schmerzhaft zu spüren bekommen. Sein Bootsmann, Seamus Glover, war das genaue Gegenteil. Fast einen Kopf größer als der Kapitän, mit langen rotblonden Haaren und einem ebensolchen Bart. Die muskulösen Arme waren über und über mit Tätowierungen bedeckt. Er hatte den Ruf, zuerst zu schlagen und dann erst zu fragen, wenn es Probleme gab. Und er schlug hart zu. Die Männer hatten mehr als nur Respekt vor ihm, sie hatten regelrecht Angst.
Doch noch mehr Angst hatten sie vor Hunger, vor Armut, vor dem Elend, das sie zu Hause erwartete. Hier, auf der Galeone, verdienten sie gutes Geld. Mehr als auf jedem normalen Handelsschiff der königlichen Marine. Dafür war ihre Fracht auch etwas Besonderes. 
Sie transportierten eine Ware, an denen sich die Soldaten der Handelsflotte nicht die Finger schmutzig machen wollten. 
»Aye Käpt´n, alle Segel gesetzt, wenn der Wind hält, sind wir in drei Stunden in Cork.«
»Gut, Mr. Glover, sehr gut. Ich will mit der nächsten Flut wieder auslaufen. Sorgen Sie dafür, dass bis dahin die Fracht an Bord ist.«
»Aye. Proviant und Wasser wie üblich?«
»Nehmen Sie genug an Bord, damit die Besatzung gut satt wird.«
»Und die Fracht?«
Der Kapitän grinste verschlagen.
»Was soll mit ihr sein? Ich wäre lieber in Afrika als hier bei den dickköpfigen Iren, da wäre mehr zu verdienen. Also nur das Nötigste.«
»Ich bin Ire, Sire.«
»Ich weiß, Mr. Glover, ich weiß. Und Sie sind der dickköpfigste Ire, den ich kenne. Verkauft seine Landsleute.«
Er drehte sich lachend um und ging unter Deck. Die Fracht war für ihn nichts weiter als Ballast. Würde die Krone nicht den Verlust ausgleichen, würde er sich damit nicht belasten. Doch so würde es ein einträgliches Geschäft werden.
»Mr. Glover, Sir?«
Der Bootsmann drehte sich um und sah einem Schiffsjungen in die Augen.
»Was willst du?«, herrschte er ihn an.
»Sir, wann sind wir in Cork?«
»In drei Stunden, aber Landgang ist nicht, mit der nächsten Flut laufen wir aus. Wir übernehmen nur die Fracht.«
»Welche Fracht, wenn ich fragen darf?«
Seamus sah den Jungen lange an. 
»Du bist neu hier, richtig?«
»Ja, Sir. David Bloom, Sir, Schiffsjunge, in London an Bord gekommen.«
»Dann weißt du nicht, was wir transportieren?«
»Nein Sir.«
Seamus lachte dröhnend und hieb David auf die Schulter, dass es nur so krachte.
»Sklaven, mein Junge, wir sind ein Sklavenschiff.«

 

 

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