2ooo Jahre später

 

Eine reine Fantasie. Was wäre wenn.....

 

ja, wenn ER heute noch einmal zu uns käme? Wer würde auf ihn hören?

Jesus wandelte in seinem Paradies und freute sich über die Dinge, die er dort geschaffen hatte. Alle, denen er dort begegnete, waren glücklich. Alle grüßten ihn und schienen froh zu sein, dass es diesen Ort gab.
Er schlug den Weg zu der großen Weide ein, von deren Fuß er die beste Aussicht auf die Erde hatte. Doch im Schatten des Baumes saß bereits ein alter Mann, den er noch niemals gesehen hatte.
Neugierig geworden setzte er sich zu ihm.
“Alter Mann, Ihr seht irgendwie traurig aus. Freut es euch nicht, hier im Paradies zu sein? Trauert ihr immer noch eurem vergangenen Leben hinterher? Ihr werdet es vergessen.”
Der alte Mann sah ihn an und lächelte mitleidig.
“Nein,” erwiderte er, “ich trauere deinetwegen.”
Jesus sah ihn verblüfft an.
Der alte Mann fuhr in seiner Rede fort. “Ich weiss nicht, wann du das letzte Mal auf der Erde warst, aber die Trauer, die ich für dich empfinde, kommt daher, dass sehr viele Menschen dich bereits vergessen haben.”
“Ihr irrt,” sprach Jesus zu ihm, “seht euch die Kirchen an, sie sind voll gläubiger Menschen.”
“Voller Menschen? Das mag sein, aber nicht voller Glaubenden. Eine Modenschau ist in deinen Kirchen, der Prunk in ihnen erschlägt alle.”
“Nein, nein, man hat mich nicht vergessen.”
“So? Dann gehe zu ihnen und prüfe es nach.”
Nach diesen Worten drehte der alte Mann sich um und schloss die Augen.
Aber die Worte des alten Mannes hatten Zweifel geweckt, und so beschloss er, noch einmal auf die Erde zu gehen und herauszufinden, ob der alte Mann Recht hatte.
Als er in der Stadt ankam, denn eine Stadt sollte es sein, denn wo viele Menschen leben, mussten sie auch glauben, wurde er von der Flut der vielen neuen Eindrücke überwältigt.
Aber auch Enttäuschung machte sich bemerkbar, hatte er doch damit gerechnet, dass sich alle nach ihm umdrehen würden. Aber niemand schien ihn zu bemerken.
Rastlos liefen Männer, Frauen und Kinder an ihm vorbei. Alle machten einen gehetzten Eindruck. Sie müssen sehr fleißig sein, dachte er. Vielleicht sollte ich jemanden ansprechen.
Eine Frau mit einem quengelnden Kind kam an ihm vorbei.
“Hallo, ich bin Jesus.”
“Ich gebe nichts.”
Ratlos sah Jesus die Frau an.
“Aber ich will doch nichts, ich bin Jesus.”
“Schön für dich, aber ich habe keine Zeit.”
Und schon zog sie ihr Kind weiter.
Seltsam, dachte er. Aber dieser Mann da, den spreche ich an. Er wird mich erkennen.
Ein Mann kam auf ihn zu.
“Starke Kutte, Bruder.”
Jesus sah an sich herunter. Nun, das hatte er vergessen. Die Menschen trugen nicht mehr die gleichen Kleider wie vor zweitausend Jahren.
“Danke”, sagte er höflich, “Ich bin Jesus.”
“Klasse, ich bin Buddha,” stellte der Mann sich vor, “Hast Du etwas Shit?”
“Bitte, was?”
“Na,Shit, Haschisch. Oder 'nen Joint?”
“Ich bin Jesus!”
“Oh Mann, Du bist total kaputt. Die Nummer zieht bei den Bullen noch schlechter als meine.”
Sprach's und verschwand in der Menge.
Jesus verstand nichts mehr. Was wollte der Mann? Shit, das war doch ein englisches Wort für Sch.... Und was hatte das mit männlichen Rindern zu tun?
Aber egal. Er beschloss die nächste Kirche aufzusuchen. Dort würde man ihn erkennen.
Er ging durch das Kirchenportal und war geblendet von all den Edelsteinen und dem Gold, in dem sich das Licht spiegelte.
Sie verehren mich sehr, so, wie sie die Kirche geschmückt haben. Er besah sich alles und wollte die Hand nach einer besonders schönen Statue ausstrecken, als er hinter sich eine Stimme hörte.
“Nimm die Pfoten da weg, Du Penner.”
Er drehte sich um und sah jemanden in einem Priesterrock auf ihn zueilen, mit wutverzerrtem Gesicht stand der Pfarrer vor ihm.
“Das wird immer schlimmer. Jetzt klaut ihr schon am helllichten Tage.”
“Entschuldigt bitte, aber ich bin Jesus.”
Der Pfarrer lief rot an.
“Was?” brüllte er, “jetzt aber raus hier, bevor ich die Polizei rufe.”
“Ich bin Jesus von Nazareth, und ihr seid ein Diener meines Vaters, und so müsstet ihr mich eigentlich erkennen.”
“Du bist ein entsprungener Irrer, das erkenne ich. Und was noch schlimmer ist, Du ziehst den Namen des Herrn in den Schmutz. HINAUS!”
Traurig verließ Jesus die Kirche und setzte sich auf eine Bank.
“Vater, kennt mich niemand mehr hier?” dachte er.
Da kam ein kleiner Junge und setzte sich zu ihm. Er sah zu Jesus hinauf und sagte leise.
“Du bist traurig. Ist dein Vater auch gestorben?”
Jesus betrachtete den Jungen..
“Nein, es ist nur so. Ich bin Jesus, und keiner erkennt mich.”
“Ach so”, sagte der Junge.
Dann: “Du siehst aber nicht so aus wie auf den Bildern.”
“Nun, ich sehe so aus, wie ich geschaffen wurde. Niemand kann sich sein Aussehen aussuchen.”
Der Junge sah ihn an.
“Wenn Du Jesus bist, dann kennst Du meinen Vater. Er hat am Abend, als er starb, zu mir gesagt Wenn ich sterbe, werde ich Jesus sehen. Kennst Du ihn?”
Jesus besah sich den kleinen Jungen, in dessen Augen so viel Schmerz geschrieben stand.
“Ja, ich kenne deinen Vater, Benjamin. Er hat mir von deinem Baumhaus erzählt, das er für dich gebaut hat.”
Ein Strahlen erschien auf dem Gesicht des Jungen.
“Du kennst meinen Namen und das Baumhaus, also glaube ich dir. Möchtest Du es sehen?”
“Gerne.”
Sie gingen in den Wald und der kleine Junge zeigte ihm das Baumhaus. Jesus lobte es. Auf einmal war ein Stimmengewirr hinter ihnen und kräftige Hände rissen Jesus zu Boden.
“Das ist er, der Kinderschänder. Ich habe es gewusst, als er die Statue klauen wollte. Ich habe ihn
beobachtet, als er mit dem Jungen wegging. Hoffentlich ist es nicht zu spät.”
Der Junge kam vom Baum herunter.
“Was macht ihr da mit Jesus?”
“Jesus?” lachte einer der Polizisten. “Wenn er in der Klappsmühle ist, dann kriegt er Jesus und alle Heiligen in seine Gummizelle.”
Jesus sagte nichts, er weinte. Die Erkenntnis, dass der alte Mann da oben Recht hatte, war zuviel für ihn. Er verschwand vor den Augen der anderen.
“Verflucht, wo ist der Kerl?”
Der Junge sah nach oben. “Zu Hause” sagte er und ging.

Im Paradies lief Jesus zu seiner Weide und zu dem alten Mann, der bereits mit neugierigen Augen auf ihn wartete.
“Ihr hattet recht. Niemand, außer einem kleinen Jungen, hat mich erkannt.”
Der alte Mann lächelte.
“Nun, ich glaube, ich muss dir etwas erklären.”
Jesus sah ihn an und da erkannte er, dass sein Vater neben ihm saß.
“Vater, warum?”
“Nun mein Sohn, ich wollte dich aus deinen Träumen erwecken.”
“Soll das heißen, dass die Menschen einen neuen Messias brauchen?”
“Nein, erst wenn sie nach ihm rufen, ist es an der Zeit, dass Du noch einmal hinuntergehst. Denn die Hoffnung ist nicht tot, sie lebt in dem kleinen Jungen fort.”
“Werden Die Menschen jemals lernen?”
“Eines Tages, wenn es dann nicht zu spät ist!”


Oder ist es schon zu spät?





© 1995 W. Diefentha
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